Über Grabschen, unbedachtes halbherziges Dominanzgebaren und Ressourcenverteidigung
Ein Welpe auf Welt-Entdeckungs-Tour folgt seinen erwachenden Sinnen und sammelt Erfahrungen über sein „Vermögen“ und seine Wirkung…
- Er schleppt nun abenteuerlustig Strümpfe herum, nimmt Unrat den er stolz draußen findet ins Maul oder er hat beobachtet, was den Menschen wichtig ist und will sich genau das auch mal schnappen…
- Er spielt auch mit dem Maul: Vorstoß, Rückzug, spielerisches Schnappen und Festhalten
- Auch im Stress aktiviert sich sein Maul: er schnappt wörtlich über
Er benutzt sein Mäulchen für so viel – Hände hat er ja nicht, um sich auszudrücken, zu forschen, zu tasten, zu riechen und zu schmecken und dabei lotet er die Rolle seiner „Angehörigen“ aus, der Althund oder eben der Hundebesitzer:
- Wer reagiert wann wie
- wann wird er angeleitet
- wer erklärt was wann
- wo ist er alleingelassen in seiner Meinungsfindung und so weiter…
Das passiert 24/7 ununterbrochen und nicht nur in den 5 Minuten „Hausaufgaben“ zum Welpentraining. Denn so entwickelt sich das soziale Verhalten und so formt sich die Beziehung und auch das Verhalten des Hundes der der Welpe zukünftig einmal sein wird. Menschen sind keine echten Hunde-Eltern, haben aber exakt die gleichen Aufgaben wie diese und brauchen exakt das gleiche KnowHow wie diese, um das Heranwachsen kompetent zu begleiten.
Nobody ist perfekt – und auch Eltern sind es nicht…
…und Hundeeltern schon erst recht nicht, denn sie müssen nicht nur in Fremdsprache unterrichten, sondern auch noch eine völlig andere „Kultur“ berücksichtigen. Vermenschlichung ist nicht angebracht, – das weiß doch jeder! „Verhundlichung“ zu leben, dass ist also die Kunst – und dazu bedarf es zu Lernen, Verstehen, Perspektiven zu wechseln und sich neue Kommunikastionsregeln und -muster anzueignen… Missverständnisse, Irrtümer inklusive und auch Fehler mit weit, weiter oder mal nicht so weitreichenden Folgen sind an der Tagesordnung und gehören dazu…
Doch zurück zu unserem neugierigen und maul-aktiven Welpen, der sich frisch adoptiert nun in einer menschlichen Welt bewegt – mit allen Versuchungen, Tücken und ja auch Komfortvorteilen – aber eben auch fremd: fremdsprachig, fremdgerüchig und fremd-gesteuert quasi…
Auf seinen Entdeckungstouren kommt ihm nun wie schon oben beschrieben allerhand ins Maul – dabei ist er natürlich immer noch der „Kleine“ – der noch Naive, Langsame, der Unterlegene, der noch lange nicht ausgereifte, was körperliche und mentale Kraft angeht.
—Was dazu führt, dass die Besitzer genau dies ausnutzen
In obigen Situationen und in dieser Entwicklungs-Phase handeln die meisten Hundebesitzer selbst naiv, sich darauf ausruhend der Größere und körperlich überlegene zu sein:
- Sie gehen direkt auf den Kleineren zu
- dringen in seine Zone ein
- strecken die Hand aus – damit erheben sie Anspruch auf das Objekt der Begierde, die Ressource, die sich aktuell noch im „Besitz“ des Hundes befindet
- die grabschende Hand vollendet es, das Objekt wird angepackt, genommen und aus dem Maul, – Mäulchen, raushantiert mit mehr oder weniger Kraft, mehr oder weniger Schütteln, Ziehen oder ähnlichem.Natürlich gewinnt (noch) der (noch) überlegene Mensch.
Der Kleine macht also folgende Erfahrungen:
- Der Mensch erhebt durch seine direkte Annährung und das direkte Eindringen in die Individualzone scheinbar einen direkten Anspruch, – dann aber doch nicht so ganz und „richtig“: Denn der Mensch zielt in der Regel auf das Objekt und nicht auf den Konkurrenten/Gegner. Der unbedachte (und ungeschulte) und wenig vorausschauende Hundebesitzer eröffnet durch sein Grabschen nach dem Objekt einen Beutestreit statt klar, direkt und souverän die Angelegenheit aufzuräumen und zu klären, dadurch dass er den Hund bewegt/beeinflusst statt das Objekt. (siehe Grundlagen der raumverwaltende Kommunikation!)
Ein Hund würde DIREKT handeln und im vollen (Konflikt-)Bewusstsein und er würde den Gegner von der Ressource trennen wollen. Das tut er, indem er auf den Gegner zielt – und nicht nach der Ressource grabscht! – bis dieser überlässt, ausspuckt und sich situativ angepasst entfernt…
- Der Mensch ist (zu) langsam und sich des Ernstes der Lage nicht bewusst. Der Kleine stellt fest, dass sein Besitzer wohl etwas dagegen hat wenn er Objekte ins Maul nimmt, aber in der Regel erst reagiert wenn er sich diese schon angeeignet hat und nicht in flagranti, wenn er dabei ist den Raum um das Objekt – quasi die Zone der Ressource – zu betreten… Der Mensch verpasst den Moment der Annäherung, den Ansatz, wo er es verhindern könnte (Achtsamkeit – Timing!) und er ist dann auch noch langsam in der Eröffnung des Beutestreites…
Der Hundebesitzer ist also nicht nur unklar in seinem Ansinnen: Streiten oder Klären – er ist auch noch langsam bezüglich Timing, Vorgabe und Reaktion… und vorbei ist es mit der natürlichen meist unbewusst demonstrierten „Dominanz“ des Menschen!
Denn der Welpe beobachtet und wächst, er wird schlauer und schneller und schon bald hat er den Dreh raus: er haut mit seiner Ressource ab oder schluckt/schlingt sie runter, um dem Beutestreit zu entkommen, den er aktuell als der immer noch Unreife und Kleinere verlieren würde… Der Mensch wird nun zwar schneller, aber mit der Flinkheit eines Hundes kann er es oft nicht mehr aufnehmen. Das (unbewusste) Dominanzgebaren des Menschen und die ersten Erfahrungen des Welpen wandeln sich nun schon zu einer ersten Überlegenheit des Hundes….
Spätestens hier sollte Innegehalten werden, denn jeder verlorene Wettlauf festigt die Konkurrenz und Überlegenheit statt Vertrauen und Klarheit zu schaffen. Der Hundebesitzer reflektiert oft zu wenig und er rutscht ratz-fatz in einen Teufelskreis…
Was bei einem Welpen noch „einfach“ funktioniert hat – das Wegnehmen ohne Plan, Verstand uns Regeln – einfach nur durch Übergriffigkeit, das klappt bei einem Junghund schon nicht mehr und je reifer der Hund wird, desto höher wird nun auch das Risiko, dass er sich aktiv im vom Besitzer!!! etablierten Beutestreit behauptet: GRRRRR – Finger weg! Die Spitze ist erreicht: nach schneller sein, ausweichen, in Sicherheit bringen, runterschlingen usw zeigt sich nun gereifteres Verhalten:
Droh-knurren, Abschnappen, Zuschnappen und schließlich Beißen sind die nächsten Levels der Entwicklung, die für den Hund schon als Welpe begann und sich immer weiter zugespitzt hat. Der Hundebesitzer wacht meist erst jetzt auf:
- er zieht ängstlich und besorgt die Hand zurück – überrascht, dass sein Hund sich GEGEN ihn stellt – dabei beantwortet dieser nur den Umgang den er gelernt hat…
- Oder der mutige Besitzer reagiert mit Fight – Pfui und runter drücken, denn das muss dem Hund sofort ausgetrieben werden, – so geht es nicht!
Stimmt, – so geht es jeweils nicht: Der Mensch hat den Konflikt eröffnet und ihn über Monate geschürt und er hat die Zone missachtet und die Regeln zu Besitzklärung ignoriert und sich selbst zum Konkurrenten gemacht…
Beide Reaktionen – das Wegziehen und auch eine Offensivhandlung stehen am Ende einer Entwicklung und beide erhöhen den Stresslevel für alle Beteiligten:
- Der Wegzieher hat nun Sorge und fühlt sich unsicher und hat einen Hund der immer deutlicher wird und werden kann in seinen hundlichen Vorgaben….
- Der Offensive hat zwar scheinbar „gewonnen“, das beidseitige Misstrauen bleibt aber meist und auch die Tatsache, dass die Situation als unfair, überraschend und Eskalation bewertet wird.
Lösungen können nur sein: selbst keine Konkurrenz mehr ausdrücken, sondern durch richtige Kommunikation Vertrauen und Kooperation schaffen – BESSER AUF DIE HÄNDE AUFPASSEN und wann sie was beanspruchen. Bitte mehr Respekt für den Hund und seine Sprache und seine Perspektive – Klärung im sozialen Verhalten und Training von konditionierten Abläufen kann diese Teufelskreise wieder auflösen. Der erste Schritt ist immer eine Reflexion der Geschichte, der Entstehung des Problems… Denn darin stecken auch eure Lösungen!
Früh übt sich…bereits im Welpenalter!
Wer bereits im Welpenalter mit uns loslegen will gerne hier weiterlesen:
https://www.sysdog.de/sysdog-welpen/